Amadeus Bramsiepe, KIT
Eine Frau sitzt mit fragendem Gesicht und Zeigefinger vor dem Mund, vor ihrem Bildschirm.

Gute Frage: Sollten wir die Vier-Tage-Woche einführen?

Drei Tage frei – vier Tage arbeiten: das Arbeitszeitmodell der Vier-Tage-Woche genießt aktuell eine große Aufmerksamkeit in den Medien und erfährt in der Bevölkerung große Zustimmung: Über 70 Prozent der Arbeitnehmerinnen und -nehmer befürworten die Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich. Mit der Frage, ob die Vier-Tage-Woche eine Zukunft hat, setzt sich Philipp Frey vom KIT auseinander.

Herr Frey, sollten wir die Vier-Tage-Woche einführen?

Für die Einführung einer Vier-Tage-Woche spricht einiges: Sie verbessert die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, gerade für Frauen, deren Armutsrisiko dadurch ebenfalls sinkt. Sie reduziert die Burnout-Gefahr und den Krankenstand und ist sogar gut für die Umwelt. Nicht zuletzt stellt sie einen Weg dar, die Beschäftigten an der steigenden Produktivität teilhaben zu lassen – und damit an den Früchten des technologischen Fortschritts.

Feldversuche mit Arbeitszeitverkürzungen haben gezeigt, dass Unternehmen, die eine Vier-Tage-Woche einführen, von motivierteren und gesünderen Mitarbeitenden profitieren und ihre Attraktivität als Arbeitgeber massiv erhöhen. Dadurch können sie Personalmangel effektiv bekämpfen – die teilnehmenden Unternehmen in Großbritannien wiesen dabei sogar im Schnitt einen leicht wachsenden Umsatz auf, trotz Wirtschaftskrise, Brexit und stark gesunkenen Arbeitszeiten. Im Idealfall profitieren also alle Beteiligten von der Einführung einer Vier-Tage-Woche.

Am besten gelingt dies, wenn die Beschäftigten selbst die Implementierungsstrategie mitentwickeln können, damit am Ende smarter und nicht einfach nur härter gearbeitet wird. Zum Ergebnis gehören beispielsweise die Abschaffung unnötiger Besprechungen, eine klarere Agenda und Kürzung verbleibender Meetings sowie die Schaffung von Arbeitszeiten, die frei von Unterbrechungen sind, etwa durch Anrufe oder Mails, damit man konzentriert arbeiten kann.

Und es geht dabei nicht zuletzt auch um eine gesamtgesellschaftliche Frage: Die Strategie, auf Wirtschaftswachstum und die Schaffung immer neuer Bedürfnisse zu setzen, um den Arbeitsmarkt trotz steigender Produktivität zu stabilisieren, ist in Zeiten der eskalierenden Klimakrise potenziell verheerend. Arbeitszeitverkürzungen hingegen könnten ein Instrument für eine Wirtschaft darstellen, die ökologische und soziale Nachhaltigkeit vereinbart.

Ihr habt auch eine „Gute Frage“ zu einem Forschungsthema? Dann schickt sie gerne an clicKIT-Magazin∂sek.kit.edu und wir versuchen, die richtige Person am KIT zu finden, um sie zu beantworten.

Zur Person:
Philipp Frey forscht am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) mit den Schwerpunkten Zukunft der Arbeit, Wirtschaftsdemokratie und Innovation, Kritische Gesellschaftstheorie und Vision Assessment. Außerdem ist er Teil der Forschungsgruppe „Digitale Technologien und gesellschaftlicher Wandel“.

Ein schwarz-weiß Bild von Philipp Frey. Im Hintergrund ist eine Stadt abgebildet. Privat

Text: Philipp Frey, Katharina Sauter
Titelbild: Amadeus Bramsiepe, KIT
Portrait Frey: Privat

15.6.2023