Marco Kraan (Nikhef) / DARWIN Collaboration
Die XENON-Experimente und der geplante Nachfolger DARWIN suchen nach Dunkler Materie in einem Untergrundlabor unter dem italienischen Gran-Sasso-Massiv. Das Bild zeigt eine 3D-Grafik von DARWIN.

Gute Frage: Warum suchen wir nach Dunkler Materie?

Zu den größten Rätseln des Universums gehören die Eigenschaften der Dunklen Materie und der Dunklen Energie. Sie wurden eingeführt, weil es für eine Vielzahl astronomischer Beobachtungen sonst keine Erklärung gibt. Nach heutigen Vorstellungen besteht das Universum zu fast drei Vierteln aus Dunkler Energie, vom Rest entfallen rund 80 Prozent auf Dunkle Materie und nur etwa 20 Prozent auf das sichtbare Universum: Atome, aus denen wir, unsere Umwelt, Planeten und Sterne aufgebaut sind. Weder über die Natur der Dunklen Materie noch der Dunklen Energie gibt es bis heute gesicherte Erkenntnisse. 

Frau Valerius, warum suchen wir nach Dunkler Materie?

Ohne Dunkle Materie sähe unser Universum heute ganz anders aus. Beispielsweise gäbe es keine stabilen Galaxien, wie wir sie beobachten. Deren äußere Sterne haben eine viel zu hohe Geschwindigkeit und hätten die Galaxien längst verlassen. Weltweit versuchen Forschende, den Eigenschaften der Dunklen Materie auf die Spur zu kommen, um unsere Beobachtungen im Kosmos zu erklären. Die Dunkle Materie unterliegt nicht der elektromagnetischen Wechselwirkung, sie sendet also kein Licht aus und unterliegt auch nicht der starken Wechselwirkung, die Atomkerne zusammenhält. Damit unterscheidet sich Dunkle Materie grundlegend von der bekannten „sichtbaren” Materie. Sie macht sich vor allem durch die Gravitation bemerkbar.

Im Standardmodell der Elementarteilchen haben wir dafür keine Erklärung – wir können aber ausschließen, dass es sich bei der Dunklen Materie um ein uns bereits bekanntes Teilchen handelt. Wir sind nun auf der Suche nach neuen, bisher unentdeckten Teilchen, die uns auch zu einem neuen Verständnis der Teilchenphysik führen könnten. Es gibt eine große Vielfalt an Kandidaten für Bausteine, welche die Dunkle Materie ausmachen könnten. Unsere Arbeitsgruppe sucht vor allem nach sogenannten WIMPs – Weakly Interacting Massive Particles – die eine tausendfach größere Masse als Protonen haben könnten.

Wir sind dazu im Rahmen einer internationalen Kollaboration am Experiment XENONnT beteiligt. Das Experiment, ein großer Tank mit fast 10 Tonnen hochreinem flüssigem Xenon, steht in einem Untergrundlabor tief unter dem italienischen Gran-Sasso-Massiv. Das Gebirge schirmt Störsignale durch Radioaktivität und durch kosmische Strahlung an der Erdoberfläche weitestgehend ab. Zusätzliche Abschirmung bietet ein Wassertank, der den Detektor umgibt. Trifft ein WIMP einen Xenon-Atomkern, dann werden die Xenon-Atome angeregt und emittieren ein spezifisches Lichtsignal, das wir mithilfe von 500 Lichtsensoren registrieren. Echte WIMP-Signale sind jedoch extrem selten: Nach Modellberechnungen wird pro Jahr deutlich weniger als ein solches Ereignis je Kilogramm Detektormasse erwartet.

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Zur Person
Die Physikerin Kathrin Valerius ist Professorin am Institut für Experimentelle Teilchenphysik des KIT und leitet am Institut für Astroteilchenphysik die Abteilung Niedrigenergie-Universum. Dabei verbindet sie die Neutrinophysik als wissenschaftliche Co-Sprecherin der KATRIN-Kollaboration mit der Suche nach Dunkler Materie. Seit 2014 forscht Kathrin Valerius am KIT, zunächst als Leiterin einer Helmholtz-Nachwuchsgruppe. 2020 wurde sie zur Professorin für Astroteilchenphysik berufen.

Kathrin Valerius posiert für ein Portrait. Amadeus Bramsiepe, KIT

Kathrin Valerius, Joachim Hoffmann, 9.11.2023