Gabi Zachmann, KIT
Studierende laufen über den schneebedeckten Campus.

Mit dem Gamechanger Nachteilsausgleich zum Masterabschluss

Matthias Petry ist auf einem Ohr gehörlos und auf dem anderen schwerhörig. Trotz anfänglicher Schwierigkeiten konnte er vor wenigen Wochen sein Masterstudium erfolgreich beenden. Geholfen hat ihm ein Nachteilsausgleich. Erfahren hat er davon eher zufällig – und wünscht sich mehr Sichtbarkeit.

Wir kennen es alle: Die Aufregung am ersten Tag an der Uni, die Orientierungslosigkeit auf dem Campus, die Überforderung bei der ersten Vorlesung. Für Menschen, die zusätzlich mit körperlichen Einschränkungen zu kämpfen haben, ist die Situation deutlich schwieriger. So ging es auch Matthias Petry. Der gebürtige Karlsruher ist seit seiner Geburt auf dem rechten Ohr gehörlos und auf dem linken Ohr schwerhörig.

„Schon in meiner frühen Schulzeit war es nicht einfach“, erläutert der frischgebackene Masterabsolvent. Durch das fehlende räumliche Hören überhörte er versehentlich Dinge, vor allem Zurufe aus der Richtung des tauben Ohrs. „Was viele nicht verstehen: Hören hat etwas mit der Umsetzung im Gehirn zu tun“, erklärt Matthias, „ich brauche einfach länger, um Sachverhalte zu verstehen.“ Für ihn war das aber kein Hindernis seiner Leidenschaft für die Elektrotechnik nachzugehen. Die Entscheidung für das KIT wurde durch den guten Ruf und die Nähe zu Familie und Freunden bestärkt. 

Das Studium stand auf der Kippe

Der Übergang von der Schule zur Uni fiel Matthias zunächst nicht schwerer als anderen „Erstis“. Er konnte beispielsweise auf sein Hörgerät verzichten, da die Hörsäle durch Lautsprecher ohnehin eine gute Akustik hatten. Das verbesserte sein Hörvermögen sogar, da störende Hintergrundgeräusche dadurch weniger dominant waren.

Nach der ersten Klausurenphase stand das Studium dennoch auf der Kippe. „Von vier geschriebenen Prüfungen hatte ich nur zwei knapp bestanden“, konstatiert Matthias. Im Laufe der darauffolgenden Semester verschärfte sich seine Situation. Eine Zwangsexmatrikulation konnte er nur abwenden, weil er mit der Unterstützung von Kommilitoninnen und Kommilitonen eine mündliche Nachprüfung bestand. Das dritte Semester verlief noch schlechter und war emotional und leistungsmäßig der Tiefpunkt seines Studiums.

Nachteilsausgleich wirkte wie ein Booster

Auf einer Informationsveranstaltung erfuhr der Student beiläufig in einem Gespräch von der Möglichkeit des Nachteilsausgleichs. Dieser gewährte ihm eine Verlängerung der Prüfungszeit um 50 Prozent. „Glauben Sie aber nicht, dass die Klausur eine einfachere war“, erzählt Matthias lachend im Gespräch. Für ihn änderte sich das Studium mit dem Nachteilsausgleich schlagartig: Seine Noten verbesserten sich deutlich, die Durchfallquote nahm ab und die Unterstützung aller Akteure nahm zu. „Vor dem Antrag habe ich mir alles alleine erkämpfen müssen, danach hatten alle Verständnis und haben mir geholfen!“ Matthias ist sich sicher: Ohne den Nachteilsausgleich hätte er das Studium niemals geschafft. Er ist froh, dass er sich die Hilfe gesucht hat. Dennoch würde er sich mehr Sichtbarkeit des Themas wünschen. „Ich habe das Gefühl, dass viele aus Scheu oder Unwissenheit keinen Nachteilsausgleich beantragen, obwohl das ihr gutes Recht ist!“ Er schlägt vor, dass den Unterlagen, die alle neu zugelassenen Studierenden bekommen, auch Informationen zu solchen Hilfsangeboten beiliegen sollten.  

Matthias Fabry posiert mit seiner Masterarbeit in den Händen vor einer Statue. Privat
Der Weg zum Masterabschluss war für Matthias Petry nicht immer leicht. Der Nachteilsausgleich spielte schließlich eine wichtige Rolle für seinen Erfolg.

Studieren mit Behinderung
Die Beauftragte für Studierende mit Behinderung und chronischer Krankheit am KIT, Angelika Scherwitz-Gallegos, bietet vertrauliche Beratung für Studieninteressierte und Studierende. Die Beratung ist ressourcenorientiert und unterstützt bei individuellen beeinträchtigungsbedingten Bedarfen. Das Ziel ist die Förderung eines inklusiveren Studiums, das selbstbestimmte und gleichberechtigte Teilhabe ermöglicht. Das Beratungsangebot kann virtuell über Zoom in Anspruch genommen werden und Termine können per E-Mail vereinbart werden. Die Beratungsphilosophie stützt sich auf die positive Wertschätzung des Einzelnen und zielt darauf ab, Bewusstsein für Vielfalt und Inklusion zu schaffen. Weitere Informationen unter: https://www.studiumundbehinderung.kit.edu/

Maximilian Ferber, 25.01.2024