Privat
Ein Messinstrument steht an einem Hang. Im Hintergrund ist ein See und Berge.

Von alten Steinen und neuen Erfahrungen: Die Vermessung von Pergamon

Elisabeth Kral posiert vor einem großen Stein. Privat
Elisabeth vor dem „Schildkrötenstein".

In Bergama im Westen der Türkei suchen, erforschen und rekonstruieren schon seit etwa 130 Jahren Forschende die Ruinen der Stadt Pergamon, der ehemaligen hellenistischen Residenzstadt und römischen Metropole. Das Deutsche Archäologische Institut schickt nicht nur Archäologinnen und Archäologen, sondern auch jedes Jahr zwei Studierende des KIT ins Ausgrabungsgebiet, um die Funde einzumessen. Elisabeth und Vera sind zwei von ihnen und berichten von ihrem Aufenthalt im letzten Jahr – und was sie erfahren und gelernt haben.

Für uns Geodätinnen gibt es bei der Ankunft in Bergama einiges zu bestaunen: Das Gymnasium thront auf dem Berg der Stadt, komplexe Wasserleitungen sowie Überbleibsel der damaligen „Shoppingmeile“ und der letzten Ruhestätten gibt es zu sehen. Während die Archäologinnen und Archäologen diese Fundstellen ausgraben, Fundstücke sammeln, putzen und katalogisieren, nehmen wir mit unterschiedlichen Verfahren die Lage auf.

Dabei sind ganz unterschiedliche Aufgaben zu bewerkstelligen: An einer Stelle nehmen wir mittels GNSS Base-Rover-Verfahren Verläufe von Fundamenten und Wasserleitungen auf, an einer anderen Stelle messen wir mit einem Tachymeter die Position markanter Steine in einer Mauer an, damit ein präzises Modell der Mauer erstellt werden kann. Letztes Jahr war zudem die Umstellung von einem lokalen ins UTM-Koordinatensystem weiterzuführen, Arbeit im Innendienst am Computer ist also auch dabei.

Die Studierenden helfen sich gegenseitig – und bestimmen selbst, wer nach Bergama geht

Damit diese Arbeiten jedes Jahr erfolgreich durchgeführt werden können, gehen wir Studierenden jeweils zwei Jahre hintereinander nach Bergama. Wir arbeiten jeweils vier bis sechs Wochen am Stück mit einer Woche Überschneidung in der Mitte, in der wir im ersten Jahr eingearbeitet werden und im zweiten Jahr das Wissen weitergeben.

Da wir im Studiengang Geodäsie und Geoinformatik nur rund 10 bis15 Studierende pro Jahr sind, können alle Interessierten direkt aus erster Hand erfahren, wie das Projekt funktioniert und sich dann „bewerben“, also den letzten Teilnehmenden Bescheid sagen. Wir dürfen nämlich selbst bestimmen, wer nach Bergama geht, und das hat bisher immer gut funktioniert.

Mehr als nur Praxiserfahrung

Dass von unserer Seite ein stetiges Interesse am Projekt besteht, liegt auch daran, dass wir vor Ort nicht nur arbeiten und Praxiserfahrung sammeln, sondern auch Einblick in die Archäologie-Projekte bekommen. Abends präsentieren Mitarbeitende und Promovierende ihre Projekte, nachmittags gibt es Führungen durch die Ausgrabungsstätte um das Haus und am Wochenende auch mal Ausflüge zu anderen Grabungsorten oder Museen.

Für die Dauer unseres Aufenthalts sind wir ein richtiger Teil der Arbeitsgruppe geworden, da wir auch im Grabungshaus wohnen, zusammen beim Frühstück, Mittag- und Abendessen sitzen und auch das zweite Frühstück um 10 Uhr mit Kaffee und Häppchen sowie den Tee mit Keksen um 16 Uhr nicht verpassen. Egal, ob man im Haus oder im Feld unterwegs ist. Für eine tolle Verpflegung sorgen die Frauen aus der Stadt, die jeden Morgen zum Grabungshaus kommen, kochen und sich kümmern.

Generell haben wir uns gut aufgehoben gefühlt: Bei der Arbeit im Feld waren immer hilfsbereite Kolleginnen und Kollegen da, die die Messgeräte mitgetragen haben, mit auf die höchsten Punkte der Hügel gekraxelt sind und geduldig alle Steine gezeigt haben, die eingemessen werden sollten. Ein geschultes Auge sieht in einem Haufen Steine einen Steinbruch und in anderen Steinen wiederum ein Hausfundament – es ist faszinierend.

Nicht ganz so genau nehmen

Wir betrachten die Teilnahme am Projekt als absoluten Gewinn und Elisabeth freut sich definitiv auf ihr zweites Jahr, wenn sie diesen Sommer wieder in die Türkei reisen wird. Es ist eine einmalige Erfahrung, bei einem schon so lange bestehenden Projekt mitwirken zu können und über den Tellerrand des Vermessens im Universitätsalltag sehen zu können. In der Praxis muss nämlich meistens gar nicht so genau gemessen werden, wie wir es mühsam in der Vorlesung lernen – Hauptsache, die Übersichtskarte sieht am Ende gut aus! Wir können daher allen abenteuerlustigen Studierenden empfehlen, die Gelegenheit zu nutzen, an diesem Projekt teilzunehmen.

Text: Elisabeth Kral, Vera Kozel
Fotos: Privat

27.4.2023

Vera Kozel blickt durch ein Messinstrument hindurch. Privat
Vera bei der Arbeit inmitten der Ausgrabungsstätte.