Luca Deininger, KIT
Mikroskopische Ansicht von Embryonen mit roten und grünen Fluoreszenzmustern.

Mit KI die Entwicklung von Embryonen vorhersagen

Die Stammzellenforschung mit Künstlicher Intelligenz vorantreiben und als Erstautor in Nature Communications glänzen? Genau das hat Luca Deininger, Doktorand am KIT, getan. Gemeinsam mit Forschenden des Caltech hat er eine bahnbrechende Methode entwickelt, um die Entwicklung von Maus-Embryo-Modellen vorherzusagen.

„Wir haben die Embryos in zwei Gruppen eingeteilt – normal entwickelte und nicht normal entwickelte – und eine KI zur automatischen Unterscheidung eingesetzt“, erklärt Deininger den Ansatz. So konnten die Forschenden Merkmale identifizieren, die für die Entwicklung der Embryonen entscheidend sind – etwa die Anzahl der Zellen. Aufgrund dieser Erkenntnis könne die KI mit fast 90-Prozentiger Wahrscheinlichkeit voraussagen, welche Embryonen sich normal entwickeln werden – und das bereits ganz zu Beginn der Entwicklung, also deutlich bevor das für menschliche Expertinnen und Experten möglich sei.

„Darüber hinaus können wir unsere KI dazu verwenden, den kritischen Zeitpunkt zu identifizieren, an dem sich scheinbar normale Embryos nicht normal weiterentwickeln, um gezielt die zugrundeliegenden Ursachen weiter zu untersuchen und frühzeitig regulierend einzugreifen“, sagt Deininger. Die Forschungsergebnisse könnten weitreichende Auswirkungen auf die medizinische Forschung und die Behandlung von Krankheiten haben. Zukünftig wollen die Forschenden die KI auch zur Untersuchung von Fehlbildungen bei menschlichen Embryonen einsetzen.

Luca Deiningers Weg zur Forschung

Luca Deininger kommt aus München und hat an der LMU und TUM Bioinformatik studiert. Seinen Master hat er in Tübingen gemacht. Erste Fühler in die Berufswelt hat der 28-Jährige schon während eines Praktikums beim Pharmakonzern Roche in Basel ausgestreckt. „Ich wollte mich aber tiefergehender mit einem Forschungsthema auseinandersetzen“, sagt Deininger. Deshalb hat er sich für eine Promotion an der Graduiertenschule HIDSS4Health am KIT entschieden, wo gesundheits- und datenwissenschaftliche Forschung in einem einmaligen Promotionsprogramm zusammengebracht werden. Seine Dissertation über „Automatisierte Analysepipelines für Stammzellenforschung“ wird er noch dieses Jahr verteidigen. Dafür hat er auf Basis verschiedener Bildgebungsverfahren wie Magnetresonanztomographie, Lichtfeld- oder Fluoreszenzmikroskopie KI-Methoden zur Bilderkennung entwickelt.

Für das Studium der Bioinformatik habe er sich entschieden, „weil ich mich schon immer sehr für Biologie interessiert habe, mich die zoologischen Aspekte aber nicht gereizt haben“. Deininger nehme lieber das „große Ganze“ in den Blick. Auch an seinem anderen Fach, der Informatik, begeisterten ihn nur Teilaspekte: „Der ganze Komplex der IT- und Datensicherheit hat mich nicht angesprochen, dafür aber die Methodik“, sagt er. Die Bioinformatik mit ihrem Gesundheitshintergrund dagegen, vereint für ihn „das Beste aus zwei Welten“. Dass er seinen Traumstudiengang gefunden hat, „da war auch Glück dabei“, berichtet Deininger. Wobei das Glück bekanntermaßen dem Tüchtigen hilft: „Ich habe mir alle relevanten Studiengänge angeschaut und auch probeweise einige Vorlesungen besucht, um sicherzugehen, dass das Fach auch wirklich etwas für mich ist.“

Vier E-Mails bis zur internationalen Zusammenarbeit

Für sein Promotionsprojekt ist Deininger auf biologische Daten angewiesen. An diese heranzukommen habe sich als problematisch erwiesen. „Zwar arbeiten wir an der Graduiertenschule mit Biologen zusammen, aber es gab technische Probleme.“ Also machte sich Deininger eigenständig auf die Suche nach Kollaborationspartnern. Auf einer internationalen Konferenz wurde er fündig: „Ich habe eine Professorin vom Caltech, dem California Institute of Technology, angesprochen, die auch interessiert war und mir ihren Mailkontakt gegeben hat. Damit war ich aber noch nicht am Ziel: Ich habe erst auf meine vierte E-Mail eine Antwort bekommen und durfte dann meine Idee präsentieren.“ Deiningers Vortrag überzeugte „und im Dezember 2023 habe ich die ersten Daten bekommen.“

Durch die Zusammenarbeit eröffnete sich schließlich sogar die Chance für einen viermonatigen Forschungsaufenthalt in Kalifornien. „Kompetitiv“, fasst Deininger seine Eindrücke aus dem US-Forschungsbetrieb zusammen. Mit den eigenen Forschungsergebnissen gehe man dort viel zurückhaltender um. „Die Leute geben ungern etwas preis und alles ist viel weniger transparent.“ Hier in Deutschland und am KIT sei alles viel freier, offener und ehrlicher, findet er. Trotzdem möchte Deininger die Erfahrung nicht missen, denn „die Leute waren unheimlich klug und kompetent, wodurch es auch wieder sehr viel Spaß gemacht hat.“ Die Strahlkraft der dortigen Eliteunis sorge eben dafür, dass kein Mangel an herausragenden Studierenden herrsche – trotz des oft intensiven Wettbewerbs. „Ich könnte mir schon vorstellen, dort meinen Postdoc zu machen.“

Technologieoffenheit und Zukunftsperspektiven

Mit dem Thema KI gehe man auf der anderen Seite des Atlantiks viel ungezwungener um. „Die Menschen sind technologieoffener. Das Verfassen von wissenschaftlichen Arbeiten mithilfe von ChatGPT, sei Alltag. Dass solche Mentalitätsunterschiede sich auf die Forschung nachteilig auswirkten, glaubt Deininger allerdings nicht: „Wir haben hier unendliche Möglichkeiten, was das Computing angeht“, lobt Deininger die Dateninfrastruktur am KIT. Mit den Hochleistungsrechnern HAICORE und HoreKa gebe es kaum Grenzen beim Trainieren von KI.

Felix Mescoli, 20.3.2025

Luca Deininger vor dem Schild des California Institute of Technology. Privat
Rau aber schlau seit das Arbeitsklima am Caltech, berichtet Luca Deininger, der an der Graduiertenschule HIDSS4Health des KIT in Bioinformatik promoviert.