Magali Hauser, KIT
Vier Studierende stehen Rücken an Rücken zueinander und schauen in unterschiedliche Richtungen.

Beim Studiengangwechsel muss der Bauch mitreden

Patrick posiert für ein Portrait. Isabelle Hartmann
Patrick hat nach vielem Ausprobieren seine Bestimmung gefunden: „Sich durchzuboxen macht nichts besser. Man muss sich trauen, zu wechseln!“

Den Studiengang zu wechseln kann erschreckend wirken – nach dem Motto: Ich habe versagt. Doch genau das Gegenteil ist der Fall. Wenn das Studium zur Qual wird, ist der Wechsel oft die bessere Lösung – „Sonst ist die Studienzeit verlorene Lebenszeit“, sagt eine, die das wissen muss: die Chefin der Zentralen Studienberatung.

Viermal hat Patrick* seinen Studiengang seit 2016 gewechselt. Nicht aus Jux und Tollerei, sondern weil er spürte, dass seine Wahl noch nicht die richtige war. Zum Beispiel Mathematik, sein erster Studiengang: „Es war wenig Rechnen, sondern beweisen, warum eine Formel stimmt. Das war nichts für mich.“ Das Fach hatte er gewählt, weil er Mathe in der Schule liebte. Das klingt logisch, sei aber der „Kapitalfehler“ vieler angehender Studierender, weiß Regine Endsuleit, Leiterin der Zentralen Studienberatung (ZSB) vom KIT.

Viele würden sich aus diesem Interesse heraus über den Studiengang kaum informieren. Dann fielen sie aus allen Wolken, wenn es im Hörsaal wissenschaftlich an das Thema herangeht. So kommt es, dass rund die Hälfte derer, die den Studiengang wechseln, es aufgrund einer falschen ersten Wahl tut, schätzt Endsuleit.

Kopffragen und Bauchfragen

Wer merkt, dass die Fachrichtung kein Interesse weckt, sollte dieses Bauchgefühl ernst nehmen. „Es ist eine Sache, ab und zu keine Lust auf eine Veranstaltung zu haben, und eine andere, wenn das Thema einen über Wochen oder Monate nicht in Ruhe lässt“, unterscheidet die Fachfrau. Sich dann ewig durchzuboxen sei verlorene Lebenszeit: „Man wird meistens 40 Jahre seines Arbeitslebens in der Fachrichtung verbringen. Es ist wichtig, dass sie zu einem passt.“

Daher ist es entscheidend, sich vor dem Wechsel nicht nur „Kopffragen“ zu stellen, beispielsweise über Leistungsanerkennung oder BAföG-Förderung. Essenziell sind auch die „Bauchfragen“: Was interessiert mich wirklich? Warum will ich wechseln?

Vincent* hat sich diese Fragen ernsthaft gestellt. So konnte der 19-Jährige nach einem ersten Wechsel von Informatik zur chemischen Biologie erkennen: Eigentlich ist Informatik das richtige Fach gewesen, seine Lebensumstände waren das Problem. Nach einer Trennung, einem Umzug und dem Beginn einer Therapie wechselt er nun zurück zur Informatik.

Gezwungener Wechsel ist hart

Anders sieht das bei der anderen Hälfte der wechselnden Studierenden aus: Sie möchten den Schritt nicht, sind aber wegen des Verlusts ihres Prüfungsanspruchs dazu gezwungen. „Das ist hart, weil es meistens in höheren Semestern passiert“, erklärt Endsuleit. In diesen Fällen sei es wichtig, den Betroffenen zu erklären, welche Rechte sie haben und wie es weitergehen kann. Optionen am KIT, aber auch außerhalb der Universität, der Stadt oder des Landes werden besprochen.

Das gilt natürlich auch beim gewollten Studiengangwechsel. Grundsätzlich ist die Zentrale Studienberatung die erste Anlaufstelle für Informationen rund um einen Wechsel – in Einzelberatungen, unabhängig und kostenlos.

So auch bei Patrick: Nach Mathematik, internationaler Betriebswirtschaftslehre und Maschinenbau hat der 24-Jährige seins gefunden: Physik. „Ich träume seit meiner Kindheit vom Weltraum und hatte mir diese Fachrichtung nie zugetraut.“ Jetzt kann es nicht mehr schnell genug gehen. Er hat seinen Master in theoretischer Teilchenphysik begonnen – noch parallel zu seinem 8. Semester.

*Der Name wurde auf Wunsch der Person geändert. Er ist der Redaktion bekannt.

Text: Isabelle Hartmann
Symbolfoto „Orientierung im Studium“: Magali Hauser, KIT
Foto Patrick: Isabelle Hartmann

17.6.2022