Gute Frage: Wo liegen die ethischen Grenzen der Gentechnik?
Wachsende Weltbevölkerung, Klimawandel, resistente Schädlinge: Die Liste der Herausforderungen, vor denen die Landwirtschaft steht, ist riesig. Ein möglicher Baustein zur Lösung der Probleme ist die Genschere CRISPR/Cas, mit deren Hilfe Lebewesen genetisch optimiert werden können. Der Gentechnik-Pionier Holger Puchta zieht für deren Einsatz aber eine klare Grenze.
Herr Puchta, wo liegen die ethischen Grenzen der Gentechnik?
Ich kann diese Frage natürlich nur für mich beantworten. Eine Grenze sehe ich ganz grundsätzlich beim Eingriff in die menschliche Keimbahn, also vor allem bei dem Ziel, Menschen zu „verbessern“. Das ist für mich ein absolutes No-Go. Ich glaube aber, dass man sich als Forscherin oder Forscher bei jeder Art von geplanter genetischer Veränderung in jedem Organismus – wie eigentlich bei jeder Art von Experiment – immer erst fragen muss: Welche Konsequenzen hat dieser Versuch? Kann ich die Folgen abschätzen? Gibt es schon vergleichbare Veränderungen? Was wäre der maximal anzunehmende „Unfall“?
Ich denke, dass wir als agierende Forschende diese Verantwortung ganz bewusst auch als erste selbst annehmen müssen. Diese „Urverantwortung“ kann uns auch keine Ethikerin und kein Ethiker abnehmen, da zuerst nur wir entscheiden, ob ein Experiment überhaupt durchgeführt wird. Und natürlich sollte diese Entscheidung von den Prinzipien unserer westlichen Werte geprägt sein. Trotzdem ist der Austausch mit Ethikerinnen und Ethikern wichtig, Diskussionen mit ihnen sind interessant, erhellend und horizonterweiternd. Das durfte ich auch bei der Mitarbeit in einer Kommission der Leopoldina, der Nationalen Akademie der Wissenschaften, lernen, die sich mit grüner Gentechnik beschäftigt hat. Und da waren wir uns einig, dass die genetische Veränderung von Pflanzen mit molekularen Scheren nicht nur sicher, sondern auch ethisch unbedenklich ist.
Zur Person: Professor Holger Puchta ist Molekularbiologe am Joseph Gottlieb Kölreuter Institut für Pflanzenwissenschaften (JKIP) des KIT. Dort befasst er sich mit der Genomveränderung in Pflanzen. Mithilfe der molekularen Schere CRISPR/Cas suchen er und sein Team nach deren Nutzbarmachung für die Pflanzenzüchtung – etwa, um Pflanzen resistenter gegen Salz- oder Hitzestress zu machen. Puchta gehört seit Jahren zu den meistzitierten Forschenden weltweit.
Mehr Informationen über Holger Puchta findet ihr in seinem Expertenporträt und im Themenhighlight „Noch nie ist aus einer Pflanze ein Monster entstanden“.