Markus Breig, KIT
Das Team wingman steht vor ihrer selbstgebauten Apparatur.

Ingenieurskunst mit Polystyrol und Heißkleber

Die Fachschaft Bauingenieurwesen hat zusammen mit dem Institut für Wasser und Umwelt (IWU) des KIT einen Bauwettbewerb für Studierende ausgerichtet. Die Aufgabe der bunt gemischten Teams: Mit sehr begrenzten Mitteln die Energieausbeute von Flussturbinen steigern. Das Siegerteam darf sich auf eine exklusive Exkursion zum Wasserkraftwerk Iffezheim freuen.

Im Studienalltag stehen oft die theorielastigen Vorlesungen und das Lernen für Klausuren im Vordergrund. Damit auch das Praktische nicht zu kurz kommt, veranstaltet die Fachschaft Bauingenieurwesen regelmäßig einen Bauwettbewerb. Dort können sich Studierende jedes Jahr in Gruppen zusammentun, um eine vorgegebene Aufgabe zu meistern. „Der Wettbewerb findet unabhängig von einer Lehrveranstaltung statt. So haben wir Freiheiten, die wir sonst nicht hätten“, erzählt Masterstudent Simon, der vonseiten der Fachschaft den Wettbewerb zusammen mit Dr. Frank Seidel vom IWU betreut. Auch Seidel betont das Besondere: „Von uns aus gibt es keine Begleitvorlesung. Das ist ein Stück weit auch Sinn der Sache: Die Studierenden sollen sich das Thema selbst erschließen, einen Entwurf fertigen und dann ihre Überlegungen mit den Versuchen überprüfen.“

Jedes Jahr eine neue Herausforderung: Vom Brückenbau bis zur Lebkuchenwand

Bei dem seit Jahrzehnten jährlich stattfindenden Wettbewerb sollte von Anfang an die Zusammenarbeit der Studierenden im Vordergrund stehen. Durch die Selbstorganisation können prinzipiell alle Studierende aus jedem Semester mitmachen. So entstehen bunt gemischte Gruppen. Da sich die Fachschaft jedes Jahr ein anderes Partnerinstitut sucht, wechseln auch die Aufgaben. „Der Klassiker ist natürlich, eine Brücke zu bauen. Wir mussten aber auch schon Wände aus Lebkuchen bauen, die dann auf Standsicherheit getestet wurden“, berichtet Simon.
Im diesjährigen Wettbewerb stand für die drei- bis sechsköpfigen Teams eine An- und Ablaufkonstruktion auf dem Plan, die Wasser zu einer Turbine leitet. Diese wird durch die Strömung bewegt und erzeugt Strom. Auf diese Art soll ein Flusskraftwerk simuliert werden. Ziel war es, die höchstmögliche Energieausbeute zu erreichen. Die Modelle wurden im Hörsaal in einer Versuchsrinne getestet. Das Besondere daran: Die acht Meter lange Versuchsrinne kann über einen Hebemechanismus aus dem Keller in den Hörsaal eingefahren werden.

Begrenzte Mittel für eine komplexe Aufgabe

Am Abend der Entscheidung zeigte sich schnell, welche Strategien die fünf Teams verfolgten: Einige Teams versuchten, die Fließgeschwindigkeit des Wassers durch die Turbine zu erhöhen, während andere Teams den Fokus darauf setzten, so viel Wasser wie möglich in die Turbine zu leiten.

Das Siegerteam „Wingman“ gewann, da es mit beweglichen Flügeln den Zulaufquerschnitt der Turbine effektiv vergrößern konnte und dank eines guten Diffusors hohe Strömungsgeschwindigkeiten erreichte. Charakteristisch für den Wettbewerb sei, „dass wir wirklich wenige und nur einfache Materialien vorgeben. Aber das ist der Reiz!“, so Seidel. In diesem Jahr mussten die Teams aus einer Polystyrolplatte, einer Flanschverbindung, einer Tube Polystyrolkleber, einer Packung Modelliermasse und vier Stäben Heißkleber den Zu- und Ablauf der Flussturbine basteln. 

Beteiligte ziehen rundum positive Bilanz

Neben Spaß und Wettbewerb sollen die Studierenden auch etwas lernen. Während der Umbauphasen erklärte Seidel die theoretischen Grundlagen und die Relevanz von Flussturbinen. Diese haben den Vorteil, dass keine größeren Eingriffe in das Gewässer notwendig sind und damit der Einfluss auf die Gewässerflora und -fauna gering ist. Mit ihnen kann jedoch deutlich weniger Strom produziert werden als etwa mit Staudämmen oder -stufen, weshalb sich diese Technologie vor allem für eine dezentrale Stromversorgung oder für sogenannte Inselanlagen in abgelegenen Regionen eignet. Für die Beteiligten war der Wettbewerb ein voller Erfolg. „Es geht ja nicht nur ums Gewinnen, sondern darum, die Theorie praktisch anzuwenden“, sagt Seidel. Auch Simon zieht eine positive Bilanz: „Mit so einem Wettbewerb können wir Theorie und Praxis super kombinieren. Und das ist ja die Kunst des Ingenieurwesens.“ 

Maximilian Ferber, 27.06.2024

Frank Seidel erklärt den Versuchsaufbau. Markus Breig, KIT
Frank Seidel zeigt mithilfe eines Farbstoffs Verwirbelungen im Wasser auf.
Das Team wingman steht vor ihrer selbstgebauten Apparatur. Markus Breig, KIT
Im Moment der Wahrheit schaut das Team „Wingman“ gespannt, ob sein Konzept funktioniert.
Zwei junge Männer stehen vor einer Versuchsapparatur. Markus Breig, KIT
Konzept des Siegerteams „Wingman“ in der Versuchsrinne: Die charakteristischen Flügel waren der Erfolgsgarant.