„Medizintechnik ist nicht so ähnlich wie Medizin“
Seit dem Wintersemester 22/23 bildet das KIT Medizintechnikerinnen und -techniker aus. Wer den Studiengang wählt, muss sich klarmachen: Man wird Ingenieur, nicht Ärztin. Der Schwerpunkt liegt auf Technik. Wer sich für Naturwissenschaften interessiert und keine Angst vor Mathe hat, ist richtig und hat gute Jobaussichten.
Lisa Ingelmann wollte eigentlich Medizin studieren. Bei Praktika und ihrem Ehrenamt als Rettungssanitäterin merkte sie: „Die Interaktion mit Menschen liegt mir nicht wirklich.“ Das Thema Medizin aber schon, genauso wie Physik und Mathe. Die Hannoveranerin entschied sich für Medizintechnik und wählte Karlsruhe als Studienort. „Das KIT ist als eine der besten technischen Unis in Deutschland gerankt. Ich wollte unbedingt hierher.“
Dass der Schwerpunkt auf Informations- und Elektrotechnik liegt, war in ihrem Sinne. Sie hat aber auch Studierende erlebt, die eigentlich Medizin studieren wollten und mangels eines Studienplatzes das vermeintlich ähnliche Fach wählten. Keine gute Idee. „Medizintechnik ist nicht ähnlich wie Medizin“, betont Lisa.
Verständnis für Mathe ist wichtig – der Rest kann sich entwickeln
Antonia Maier und Philippos Papadimas sind gleichfalls gut gelandet. Beide technikaffin, beide schon in der Schule von Naturwissenschaften begeistert. Aber keine Angst, sagen sie. Man muss nicht alles gleich können. Klar, Vorwissen sei hilfreich, meint Philippos. Vieles ließe sich aber auch nacharbeiten, zum Beispiel im MINT-Kolleg, ergänzt Antonia. „Ich habe Physik nach der zehnten Klasse abgewählt, weil es nie wirklich mein Fach war“, sagt sie. Mathe sei allerdings wichtig, denn man müsse immer etwas ausrechnen, egal in welchem Fach.
Technik für Patientinnen und Patienten: irgendwie anders
Medizin geht heute nicht mehr ohne Technik. Ob ein Hörgerät, eine MRT-Aufnahme oder computergestützte OPs – hinter all dem stecken Ingenieursleistungen. „Die zunehmende Automatisierung, Digitalisierung und Technisierung der Medizin erfordert gute Kenntnisse in Elektro- und Informationstechnik“, so Professor Werner Nahm vom Institut für Biomedizinische Technik des KIT. „Durch unsere Schwerpunktsetzung bereiten wir die Studierenden auf diese Bedarfe vor.“ Vom ersten Semester an ginge es aber auch darum, eine klare Vorstellung zu haben, was das Ziel des eigenen Tuns sei und es methodisch zu dokumentieren. „Dieses Methodenverständnis macht unsere Studierenden interessant für die Medizintechnik, aber auch für andere Industriezweige.“
Medizintechnik heißt Normen, Standards und Gesetze kennen
Im Ergebnis geht es um Medizin und Menschen, das macht den Unterschied zur „unbelebten Technik“: Medizintechnikerinnen und -techniker müssen sich nicht nur in die Welt der Ärztinnen und Ärzte hineinfühlen, sie arbeiten auch in einem streng regulierten Markt mit Normen, Standards und Gesetzen. Nahm nennt ein Beispiel: Wer ein OP-Mikroskop für die Neurochirurgie entwickelt, das bei einer OP am offenen Gehirn über dem OP-Tisch hängt, der ist nicht nur fürs Funktionieren der Technik verantwortlich, sondern muss auch garantieren, dass sich keine Schraube löst.
Viele Studentinnen – kaum Professorinnen
Lisa, Antonia und Philippos geben dem Studiengang sehr gute Noten. „Es ist überwältigend, welches Wissen unsere Lehrenden haben und wie tief sie in der Forschung drin sind“, schwärmt Antonia. „Gerade haben wir ‚Medical Imaging Technology‘. Auf Englisch, weil wir eine italienische Dozentin haben, Dr. Maria Francesca Spadea“, erzählt Lisa. Dass eine Frau den Kurs hält, findet sie toll. „In der Fakultät gibt es viel zu wenig Frauen.“ Im Studiengang sieht das anders aus: Fast die Hälfte sind Studentinnen.
Work in Progress mit studentischer Beteiligung
Der Studiengang ist noch jung und dynamisch. Gerade wird wieder an der Studienordnung gearbeitet. Der Lehrplan lebt und orientiert sich am aktuellen Stand, was für Philippos, Antonia und Lisa ein weiteres Plus ist. Die Erfahrungen der Studierenden fließen mit ein. „Ihr Feedback ist uns wichtig“, betont Nahm. Daher dürfen sie auch mit am Masterstudiengang bauen. Er soll stehen, sobald die ersten Bachelorstudierenden ihren Abschluss machen.
Die Aussichten für die drei sind glänzend, das Betätigungsfeld ist groß. Robotik, Sensorik, KI: Überall werden Medizintechnikerinnen und -techniker gesucht. „Die Medizintechnik-Industrie in Deutschland ist weltweit führend, es gibt dort einen unglaublichen Bedarf an Fachkräften“, weiß Nahm.