Noxon
Eine Person hebt ihr Bein, welches am Knie eine Bandage trägt.

Gemeinsam geht es besser

Die drei Gründer posieren für ein Portrait. Noxon
Haben Noxon gemeinsam gegründet: Marius Neugschwender, Maria Neugschwender und Ka Hou Leong.
Der Prototyp wird von einem Mann vorgeführt. Noxon
Prototyp „Silverskin“: Die gedruckten Biosensoren von Noxon sollen beispielsweise dabei helfen, Rückenschmerzen zu behandeln.

Schon mal vom Levi-Civita-Tensor gehört? Keine Ahnung? So ging es auch Physikstudent Marius Neugschwender, als er vor seinem ersten Übungsblatt saß und noch nicht einmal die Aufgabe verstand. Schritt für Schritt „bezwang“ er gemeinsam mit anderen den spröden Tensor. Sich nicht abschrecken lassen und das Problem nach und nach angehen – dass ihm dieses Vorgehen später auch als Mitgründer des Start-ups Noxon helfen würde, wusste der 26-jährige Ulmer damals noch nicht.

Inzwischen steht Marius als Chief Technology Officer (CTO) mitten in der Pilotphase für das erste Noxon-Produkt: Die Prototypserie Silverskins. Die Bandagen mit eingedrucktem Biosensor analysieren die Muskelaktivität an der Beinmuskulatur. Eingesetzt werden sie nach Operationen am Oberschenkel und bei Sportverletzungen wie beispielsweise Kreuzbandrissen. Die von Noxon entwickelten Bandagen machen Rehabilitationsprozesse erstmals einsehbar und sollen sie verkürzen.

Stück für Stück ans Ziel

Im Rückblick könnte man sagen, dass sich der Noxon-CTO systematisch auf seine Aufgabe als Mitgründer vorbereitet hat, wobei Marius wohl eher von einem Zufall sprechen würde. Dennoch war der Start ins Physikstudium am KIT ein Kulturschock. „Die Übungsaufgabe mit dem total antisymmetrischen Tensor war erst mal ein Schlag ins Gesicht, kein Mensch wusste, was das ist“, erinnert er sich. Aber irgendjemand von den 200 Leuten des Semesters hatte dann einen Funken Ahnung, und der wurde dann wie ein Lauffeuer verbreitet. Der Zusammenhalt im Studiengang und das gute Verhältnis untereinander hätte sein Studium ausgezeichnet, sagt Marius.

Die Physik bleibt eine große Liebe: „Es ist wirklich faszinierend. Man schaut sich ein Problem der Natur an, und man kann es mithilfe völlig verschiedenen Grundprinzipien lösen. Es kommt das gleiche Ergebnis heraus.“ Und das Durchbeißen war letztlich schon ein erster Testlauf für später: „Wie im Start-up: Wir hatten eine Aufgabe zu lösen, die eigentlich zwei Nummern zu groß war.“

Upcycling und Hightech

Weitere Entrepreneur-Vorbereitung brachte ein Praktikum in der Türkei, an der Koç Üniversitesi in Istanbul. Die Aufgabe bestand darin, ein Fluoreszenzmikroskop zu bauen. „Wir haben uns dazu immer im Sperrmüll elektronische Bauteile geholt. Das war ein krasser Kontrast zum Bestellprozess beim KIT“, erzählt er. „Wir haben es geschafft, ein super hochauflösendes Fluoreszenzmikroskop zu bauen und das zum Preis von 5 000 Euro.“ Preis-Leistungsverhältnis unschlagbar, was gleichfalls in die Entrepreneur-Erfahrungskiste einzahlte: „Als Gründer hast du oft Probleme, weil du dir teure Geräte nicht leisten kannst. Da muss man kreativ werden. Oft findet man eine Lösung, die zwar nicht perfekt ist, aber reicht, um einen Schritt weiterzukommen.“

Gedruckte Biosensoren für die Medizin

Der Schritt in Richtung Gründung kam mit seiner Masterarbeit. Auslöser war seine Schwester Maria. Die angehende Medien- und Drucktechnikerin beschloss, dass sie ihre Rückenschmerzen mit einem gedruckten Biosensor bekämpfen wollte. Für Marius eine Schnapsidee: „Ich war am Anfang so skeptisch und dachte, das bekommen wir nie hin.“ Aber er ließ sich von seiner Schwester überzeugen. Zusammen mit dem Elektrotechnik-Studenten Ka Hou Leong starteten sie mit einem EXIST-Stipendium in die Umsetzung ihrer Idee.

Für Marius hieß das, ein hoch skeptisches Prüfungskomitee davon zu überzeugen, dass eine externe Do-it-yourself-Masterarbeit eine gute Idee ist. „Ich musste lange Exposés schreiben“, erzählt er. Und natürlich ging es ihm am Anfang wieder wie einst mit seinem Tensor: „In den ersten Monaten war ich komplett verloren.“ Zum Glück konnte er sich am KIT von erfahrenen Kolleginnen und Kollegen Tipps holen. So kam er allmählich technisch auf die Spur. Wirklich gegründet hat das Trio die Noxon GmbH dann am 1. Juni 2022. Inzwischen ist das Unternehmen schon auf zehn Personen angewachsen. Und ab April 2023 wird es ernst, dann endet das EXIST-Stipendium.

Firma, Doktorarbeit und Bürgermeister

Marius Neugschwender arbeitet derweil an einem doppelten Boden. „Das Thema liegt mir so am Herzen, dass ich es in einer Promotion weiterführen werde.“ Start-up in München plus Promotion am KIT, das wird nicht leicht. Immerhin hat der CTO inzwischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, an die er Aufgaben delegieren kann. Ob und wie es geht, weiß er noch nicht. „Aber wir haben nichts zu verlieren außer unserer Zeit, und die ist bei Noxon gut aufgehoben“, meint er. Später will er noch Bürgermeister in einem kleinen Ort werden. „Jetzt entwickele ich technisch etwas weiter und später sozial.“ Das passe für ihn so.

Text: Regina Link
Fotos: Noxon